Der Musiker Norbert Nagel

Am Freitag 22. Juni mit Budde Thiem beim Kulturpalast in Anwanden. Fotos: Budig

Der Klangmeister

Der Saxophonist Norbert Nagel hat das Crossover-Spiel perfektioniert

Inzwischen klingt sowas ja wie ein ganz normales, etwas breiter aufgestelltes Musikerleben: Heute ein Auftritt mit der Thilo Wolf Band, gestern eine Tournee  mit der Star-Sopra­nistin Angela Denoke, der er bei ihrem Kurt Weill-Programm in den großen Konzerthäusern der Welt assistierte, ein schneller Auftritt mit besten Musikerfreunden im Hubertussaal in der Südstadt; ein Projekt mit Klassik, Jazz und experimenteller elektro­nischer Musik mit seinem Sohn Frieder beim Silvestival in Nürnberg, ein Konzert mit den Berliner Philharmonikern …

So lebt Norbert Nagel, ein Profi, der ohne Netz wie „Lehrer an einer Musikschule“ auskommt. Der Wohnsitze in Ludwigsburg, Altdorf und Berlin unterhält. Der schon als Jugendlicher so den Lebensunterhalt bestritt: „Morgens Kirche, mittags Bierzelt, abends Brahms“. Die Leute hier kennen ihn vor allem als exzellenten Saxophon und Klarinette-Spieler, doch ebenso selbst­verständlich steht auf seiner Bühne oft ein E-Piano oder Flügel.

Klangmeister Norbert Nagel, zu Besuch in der „Wiederer Villa“ in Fürth

Im Februar 1961 kam Norbert Nagel in Vilseck in der Oberpfalz zur Welt. Auf seinem Lebensweg wurde er – welch ein Glück – bedingungslos vom Vater unter- und gestützt: Dieser, ein Nebenerwerbslandwirt und Versicherungs­kaufmann, sehnte sich selbst nach einem Leben als Berufs-Geiger. Als Nagel mit 15 die Schule schmiss, sagte er nur: „Du wirst eh Musiker, was brauchst Du Abitur.“ Also begleitete er den Jungen ins Konservatorium nach Nürnberg, das war damals die (musikalische) Welt, sprach ohne Termin vor und insistierte: „Mein Sohn muss ein Musiker werden“. Man ließ den jungen Nagel vorspielen und behielt ihn gleich da… Studiert hat er trotzdem noch, Klassik in Nürnberg, Jazz in München und Köln, Saxophon, Klarinette und Klavier; als Junge hat er noch Schlagzeug gelernt. 1987 gründete er mit seinem Bruder Karsten das Roseau Quintett.

Warum das alles funktioniert? Weil er mehr ist, als ein begabter Musiker, ein Meister der Klänge, ein Stimmungs-Macher, ein Geschichtenerzähler mit Tönen, und genauso, auf den Punkt, ein Diener seiner Herren: Mit Konstantin Wecker ging Nagel jahrelang auf Tournee, mit Udo Jürgens, mit dem göttlichen Akkordeo­nisten Juri Kravets (verstorben 2012 in Nürnberg), mit Lou Bega war er im Studio, auf einen „Mambo Nr. 5“ … Das waren wilde Jahre – doch irgendwie kam es nicht dazu, dass Nagel, der auch als Dirigent und Arrangeur regelmäßig Aufträge erhält, sein eigenes Ich als Marke etablierte. „Ich war in vielen Ensembles durchaus tonangebend, als Musiker und auch als Persönlichkeit. Das war mir klar – aber „Nagel & Friends“, so ein Projekt hätte ich nie angepackt.“ Das Erwachen kam erst vor etwa zehn Jahren: Das Tourneeleben, aus dem Koffer, schnell und emotional aufreibend, hatte Nagel wie im Rausch durchlebt. „Mein Sohn Frieder hat irgendwann gesagt, ‚Papa, warum machst Du keine eigene Band‘ – und in mir war klar, dass das nur bei klarem Geiste funktioniert.“ Yoga und Meditation, Ruhe und Konzentration führten ihn in eine andere Dimension – auch der Arbeit.

Norbert Nagel und seine „Lieblingslieder“-Band.

Erst seit einigen Jahren also tritt Norbert Nagel mit Musikformaten in Erscheinung, bei denen er federführend und namensgebend das Heft in die Hand nimmt. „Lieblingslieder“ heißt eines jener abendfüllenden Programme, kürzlich vom Gostner Hoftheater arrangiert und im Hubertussaal vorgetragen. Seine Boy Gang, das sind recht eigenwillige Musikerköpfe, ein paar der Besten von vielen sehr guten, die die Region zu bieten hat: neben Norbert Nagel (Klarinette, Saxophon, Klavier und Kofferdrums) ist die Combo mit Andreas Blüml (Gitarren), Marco Kühnl (Kontrabass) und Norbert Gabla (Bandoneon) instrumental so exaltiert besetzt, dass man ausgefeilte mus­kalische Konzepte vermuten darf. Das Konzert beginnt mit einer Aussage. Gleich die Nagel-Version von Stings „Fragile“, ein Song, der in keinem Best-of fehlen darf und gerade deshalb etwas über den Arrangeur und Interpreten verrät: Nagel am Klavier. Er jazzt ein bissel im musikalischen Nirwana herum, bis Blüml die Zuhörer mit dem berühmten Thema – aha! – erlöst. Nagel springt vom Piano zum Hocker, greift zum Tenorsaxophon und tief und rumpelnd haut er die ganze Romanze raus, die jeder kennt und mitsummt; „for never forget, how fragile you are“ und dann schummelt sich Gabla mit leisen, schüchternen Tönen mit seinem Tango-Bandoneon von hinten herein, und tut so, als wäre er bescheiden. Wow.

Nagels Lieblingslieder: Natürlich Blackbird von den Beatles, einiges von Astor Piazzolla (Bordell), Mozart (Alla Turca, Klarinetten­konzert), jede Menge Bach (O Haupt voll Blut und Wunden, Matthäuspassion; Badinerie aus der h-Moll-Suite …), Glen Millers Moonlight Serenade, Dave Brubeck (Blue Rondo). Das ist schon mutig gemischt. „Ich hab“, sagt Nagel mit einem Blick aufs ganze Musikerleben, „immer das gemacht, was man heute Crossover nennt. Der Ausdruck ist doch ein Krampf! Genauso wie Weltmusik. Hinter dem kreuz und quer steckt aber eine Haltung, die arrogant genannt werden könnte: ‚Ich kann alles spielen‘. Aber es ist ja so.“

 

Infos:
Norbert Nagel spielt in der Region

  • beim Kulturpalast Anwanden auf dem Wolfgangshof am Freitag, 22. Juni 2018, 17.30 Uhr mit Budde Thiem und Klaus Mages.
  • Lieblingslieder gibt’s am 20. Juli 2018 auf dem Open Air in Neustadt/Aisch um 20 Uhr im Schlosshof.