Leben am Fluss

Ein Kuss fürs Leben: Claudia und Richard Hanes heiraten an der Stelle wo die Flüsse Pregnitz und Rednitz zur Pegnitz sich vereinen

Die Geschichte erschien am 14.7.2017 im Blitz

Warum sind die Fürther so relaxt?

Fusseln, Yoga und der Bund fürs Leben: das vielfältige Freizeitleben der Fürther  in ihren Flussauen

Zweimal drei ist die Schicksalszahl, um das Besondere Fürths zu verstehen: Drei Flüsse bestimmen das Leben in der Kleeblattstadt; drei Herrscher, die gleichzeitig an den Untertanen zerrten und herrschten, haben das Verhältnis zur Obrigkeit eigen werden lassen. Trotzdem ist der Fürther an sich sehr relaxt – schließlich hat er seine Flussauen, zum Entspannen. Eine Charakterstudie über das Leben am Fluss.

Kann es etwas Schöneres geben, als an einem warmen sonnigen Sommertag den Bund fürs Leben zu schließen, dort wo zwei Flüsse ihre Energie paaren, sich zu einem Dritten vereinen? Die Vögel halten inne, die Bäume rauschen geheimnisvoll, als Claudia und Richard Hanes sich endlich küssen. Die Fürther Theatersouffleuse und der Offizier der US Armee, eine schöne Frau und ein fescher Offizier und Gentleman im Frack, der Hubschrauber fliegen kann. Als Claudia noch allein war, ist sie oft hier hergekommen, wo Rednitz und Pegnitz, der Fürth-Fluss aus dem Süden, der Nürnberg-Fluss vom Osten, sich zur Regnitz vereinen, die nach Bamberg weiterfließt.   Sie war mit ihren Hunden spazieren, mit ihren Gedanken allein und als sie – endlich – ihren ‚Randy‘ kennenlernte und bald spürte, dass hier etwas Besonderes entsteht, führte sie ihn zum Flüssedreieck. „Hier haben wir uns das erste Mal geküsst“.

Die Angler Leonid und Alexander (l) nahe des Naturgartens an der Rednitz
Leben am Fluss: In den Pegnitzauen Fussi spielen

Drei Flüsse. Drei Überschwemmungsgebiete, heute auch drei Naturschutzzonen. Richtung Osten wurde die Pegnitz aufwändig renaturiert, mit Krümmungen, Sandstränden, bewaldeten Ufern, mit Parkanlagen und daneben wild wucherndem , sich selbst überlassenem Land. Praktisch jeder Fürther kann sein Erholungsparadies fußläufig erreichen. Dort findet er feste Sträßlein,  aufgeschüttete Wege und eingetretene Pfade. Eltern mit Kleinkindern, Radler, E-Biker, Skater, Inliner, Jogger, Walker, Hundebesitzer, Rentner nutzen die Wege. Wiesen und Flussufer teilen sich Griller, Chiller, Betende, Sonnende, Leser, Yogaübende, balancesuchende Slackliner, Kraft- und Kampfsportler, Federballspieler … Aus vier Sporttaschen kann man schnell zwei Tore zusammenstellen; ein Ball, zwei Mannschaften und jeder spürt, dass Fussi guggn schön ist, selber fusseln aber das Größte. Ganz im Süden, an der Stadtgrenze nach Oberasbach, üben die Kanuten in der wilden Rednitz ihren kraftraubenden Sport.

Skatepark im Wiesengrund beim früheren MTV Gelände

So viele Menschen, so viele Interessen. Natürlich gibt es Reibungspunkte. Eilige  sportive Radler und Hunde ohne Leine;  Leute mit Decken und Hundebesitzer ohne Anstandsbeutel; Griller ohne Abfallsack und Mitarbeiter des neu geschaffenen Ordnungsdienstes der Stadt vertragen sich nicht so gut. Es gibt „Brennpunkte“, wie der Leiter des Straßenverkehrsamtes Hans-Joachim Gleißner, auch zuständig für den kommunalen Ordnungsdienst, einräumt. „Nicht immer“ und „nicht zu allen Zeiten und an allen Orten“ sei das Miteinander harmonisch,  gerade das Flussdreieck, der Grillplatz unterhalb vom Freibad (der bisher bis 20 Uhr geräumt werden muss) bedürfen der Aufsicht. Aber im Großen und Ganzen ist er einverstanden, wenn man hier einen recht gelungen Ausgleich pluralistischer Interessen lobt.

Yogalehrerin Sabine Wiedner mit ihrer Gruppe auf der Wiese nahe der Heilquelle Uferstadt

Drei Flüsse, zwei Furten. Das wird den Ausschlag gegeben haben, dass hier lange, lange bevor es ein Nuremberga gab, ein Kaiserhof und drumherum eine erste kleine Ansiedlung entstand, die Karl der Große um 770 genutzt haben soll. Wohl um 907, lange vor der urkundlichen Erwähnung als Bambergischer Marktflecken 1007, soll auf einem Bergsporn im Schwemmland eine Martinskapelle gebaut worden sein. Drei Eichen und ein kleines Denkmal mitten in den Uferwiesen im Westen des Kulturforums erinnern an sie. Sie war die Mutterkirche der großen Nürnberger Lorenz- und Sebaldus­kirche. Doch das Mächteverhältnis verkehrte sich rasch, die aufstrebende Handelsstadt Nürnberg gewann an Einfluss und Vorherrschaft. Während in der „Kaiserstadt“ das Bürgertum die Abwesenheit des Herrschers nutzte und dem Burggrafen aus dem Hohenzollerngeschlecht die Macht entriss, gestalteten sich die Herrschafts­verhältnisse in Fürth lange disparat. Drei Herren herrschten bald in Fürth. Zuerst die Dompropstei  Bamberg (ab 1007), später kamen die Markgrafen aus Ansbach (zunächst in Gestalt der Burggrafen von Nürnberg, ab 1200) hinzu und schließlich die Reichsstadt Nürnberg in Gestalt geldiger Kaufleute und Investoren (ab 1400). Die Herrschenden sprachen sich nicht etwa ab. Sie teilten die Stadt auf, sodass es vorkam, dass Lehen, Grundherrschaft, Gerichte in einer Straße so, in der benachbarten aber ganz anders entschieden wurden. Der Fürther hat sich gefügt, daran seinen Charakter geschärft. Das sich ungern fügen wollen, das Obrigkeitsscheue und Verschmitzte, das grundsätzlich Freiheitliche und die Bereitschaft, „sei Wor“ eigenständig (und oft pragmatisch-friedlich) zu klären, ist bis heute zu spüren.

Kanadagänse und Safari.

So funktioniert auch  der Interessenausgleich am Fluss auf seine eigene Weise. Ordnungs­experte Gleißner registriert zwar, dass „die Stadt wächst, es werden immer mehr, die die gleichen Flächen mit immer neuen Ideen nutzen. Der moderne Mensch fühlt sich als Individuum, das Gemeinwohl  ist nicht jedem gleich ein Anliegen“, hat er beobachtet. Doch noch tragen die Fussler ganz friedlich ihre kleinen Tore zu den Bolzplätzen, am alten Flussbad steigen Kerle wie Kai, ein aus Köln zugezogener Designer, aufs Brett: Sein Subbord trägt den Paddler gegen den Strom die Rednitz Richtung Süden, bis die Arme schwer, der Atem heftig wird. Dann wird gewendet und geglitten und der Feierabend genossen, auf dem Fluss inmitten des atem­beraubenden Grüns. Vorbei an Alexander und Leonid, die am Ufer fischen. Vor Jahrzehnten haben sie in Kiew ihre Haken in den Dnepr gesenkt. Heute holen sie „Forellen, Rotaugen, Hechte, Barben aus der Rednitz, denn das Wasser ist sauber und die Strömung gut.“ Die Bienenzüchter haben im Westen ihr Refugium gefunden, nicht weit vom Schaugarten des Bund Naturschutz, der jederzeit offen von jedermann besucht werden kann. Hier treffen wir am Abend Theo (8), der mit Mama Andrea und Papa Ralf ziemlich zerknirscht aus dem jederzeit offenen Tor kommt. Seine Kaninchen sind aus dem heimischen Garten ausgebüchst, er sucht sie verzweifelt. Ob er Glück haben wird? Hier leben tausende Wildkaninchen, die in der Dämmerung aus dem Unterholz kommen. Bald werden sie die braven Kutzerstraßen-Bewohner integriert und eingewildert haben. So wie es immer schon funktioniert hat, in der Dreiflüssestadt.

Alteres Paar genießt die Stadtparkbank am Pegnitzufer.