200 Jahre Stadterhebung in Fürth

Nehmt Platz, es ist Kunst!

Barbara Engelhard verschönert zum 200. Stadtjubiläum den Raum um den Paradiesbrunnen

(veröffentlicht in den Fürther Nachrichten am 25.7.2018)

Gut 400 gebrauchte Stühle stehen neuerdings an der Dr.-Max-Grundig-Anlage. Am heutigen Mittwoch um 18 Uhr wird das neue Raum­kunstwerk der in Fürth lebenden Barbara Engelhard  eröffnet. Sandra Ettling und Ferdinand Roscher werden die Ver­anstaltung musikalisch begleiten. Bis zum 12. August stehen die Stühle, dann wird das Werk aufgelöst – und wer mag, kann sich einen Stuhl signieren lassen und mit nach Hause nehmen.

Kunst im öffentlichen Raum. Oder auch Umwidmung des öffentlichen Raumes; seine „Rückgabe an die Bürger“. Das sind komplexe Konstrukte,  etwas, wobei die „Kunst“ auch noch mit dem Killer-Attribut „modern“ versehen wird. Aber ist das was, für dieses bodenständige, gar nicht exaltierte, lustige Fürth als ein festlicher Akt zum 200. Jubiläum seiner Stadterhebung? Folgen wir Barbara Engelhard, und vieles spricht dafür, dass sie recht hat, dann grad andersherum – es ist perfekt!

„***kommt zusammen“, fordert sie und sprüht es mit Kreidefarbe bunt aufs Kopfsteinpflaster; dorthin, wo sie 400 Stühle gruppiert und bereitgestellt hat. „Diese Stühle“, erklärt sie, „sind alle gebraucht, gesammelt, viele vor dem Schreddern gerettet“. Und sie sind spendiert von Fürthern, Menschen aus dem Landkreis und – Obacht, Nürnberger Bürgern– also eine Art geografische Ökumene. „Rückgabe des öffentliches Raumes an die Bürger“ heißt natürlich, dass die auf diesen ornamentalisch angeordneten, gruppenweise mit Kunststoff-Fesseln verbundenen Stühle am Paradiesbrunnen nahe der Freiheit Platz nehmen sollen: „Die Leute sollen hier stricken, ratschen, karteln, lesen, Picknick machen“, wünscht sich Engelhard, die bereits bei der Blauen Nacht die Kaiserburg illu­mi­nieren durfte und neben anderen Preisen 2014 den Debütantenpreis des Freistaates Bayern und 2017 den Kulturpreis der Stadt Nürnberg erhielt.

Man sitzt also auf ehemaligen Café-Haus-Stühlen, kleinen Kanapees, billigem Plastiküberzug oder edlem Leder, auf Polstersesseln, Brauereistühlen, einer ehemaligen Krankenhaus-Bestuhlung, auf Esszimmer-Garnituren, ziemlich schicken und total runtergeranzten Möbeln; aber auf jeden Fall nieder­schwellig – auch was die Kunst betrifft. Denn das gehört zu den heraus­ragenden kreativen Fähigkeiten, die Engelhard schön häufiger bewiesen hat, dass sie eine Installation rund machen kann, stimmig, gedankentief aber nicht ins Endlose enthoben.

Und kaum steht die Kunst, kommen die Leute von der Eisbude herüber. Der Besitzer, der bei gutem Wetter gewiss vom Engel­hard’schen Stuhlkreis profitieren wird, kann mit „Kunst im Raum“ nichts anfangen („das ist mir egal“); aber die Fürther Musikerin Valentina Pilny, die hier ihren Kleinkindern während des Aufbaus ein Eis spendiert, ist gleich begeistert: „Das ist doch wunderbar, das lädt zum Sitzen und Verweilen geradezu ein“, zeigt sie, das Engelhards Idee – „die Leute erkennen das gleich, kommen und nehmen den Platz in Besitz“ – aufgeht.

Am Freitag in einer Woche, am 3. August 2018 dürfen alle, die gerne singen, hier Platz nehmen. Georgina Demmer wird von 16 bis 17.30 Uhr einen „offenen Singkreis“ anleiten. Und am Ende wird die Sache richtig rund: „Die Stühle sollen vom öffentlichen wieder in den privaten Raum gelangen“, hat sich Barbara  Engelhard das vorgestellt: „Bei der Finissage am 12. August 2018, ab 17 Uhr, kann man auf einem Wunschstuhl Platz nehmen. Den darf man mit nach Hause nehmen – auf Wunsch für 20 Euro von mir signiert.“