Best of Poetry Slam

Lara Ermer moderiert

Großartiger Wettstreit um die schönste Buchstabenkette

Best of Poetry Slam mit einem knappen Siegentscheid für Meike Harms

Fürth feiert sein Stadterhebungsfest unverdrossen weiter– und greift beim Kulturprogramm auf Bewährtes zurück: Seit 12 Jahren treffen sich Poetry Slamer monatlich in der Kofferfabrik. Die designierte Fürther Kulturförder­preis­trägerin Lara Ermer moderierte am Freitagabend (mit Michael Jakob, beide vom Veranstalter „Kulturschockverein“) die Slam-Party, zu der die Creme der Szene eingeladen war.

„Poetry is what happens when nothing else can“. Der Sinnspruch stammt vom Altmeister Charles Bukowski, der sich mit Auftritten in rauchigen Trinker-Lokalen mit Bühne hochgeschrieben hat. Meike Harms, die die Fürther Stadthalle als Siegerin dieses „Slams“ verließ (englisch für Schlag, Verriss, Kritik, übertragen: Wettkampf, der über ein direktes Publikumsvotum entscheiden wird), sieht das ähnlich, nur mit anderen, den Worten Erich Frieds: Es heißt/ein Dichter/ist einer/der Worte zusammenfügt. // Das stimmt nicht. // Ein Dichter/ist einer/den Worte/noch halbwegs/zusammenfügen // wenn er Glück hat // Wenn er Unglück hat/reißen die Worte/ihn auseinander.
Das findet man auf ihrer Homepage.

Wer sich auskennt, durfte sich auf den Abend riesig freuen: Sechs Kontrahenten kämpften um den Sieg, Wortakrobaten mit viel Vorschuss­lorbeer: Meike Harms (bayrische Poetry Slam Meisterin 2014), Philipp Scharrenberg (deutschsprachiger Poetry Slam Meister 2016), Christian Ritter (bayrischer Poetry Slam Meister 2010, deutschsprachiger Vizemeister 2009) Pierre Jarawan (Bestsellerautor und deutschsprachiger Poetry Slam Meister 2012), die amtierende Schleswig-Holstein-Meisterin Victoria Helene Bergemann, Pauline Füg (Trägerin des Kulturpreis Bayern 2011, beste deutsch–sprachige Bühnenpoetin 2007). So war die Stadthalle mit 400 Besuchern gut besetzt.

Das Publikum entscheidet

Nur eins störte: Eine Arena für Wort-Wettkämpfe ist die Fürther Stadthalle nicht. Man sitzt auf praktischen Konferenz­stühlen in keimfreien Reihen, das Getränk hat man brav draußen zu lassen. Auch sonst verströmt der Bau den Beton-Charme einer Mehrzweck­turnhalle. Kein Bier, kein Schweiß und die Moderatorin im blauen Opernball-Fummel, passend zum Saallicht. Egal, „wir wollten unbedingt einen Raum in Fürth, groß genug für das Geburtstagsfest mit besonderen Gästen und sind sehr gern hier hergekommen“, so Laura Ermer.

Im Grunde ist es eh von Vorteil, das Wortgefecht mit geschlossenen Augen und ohne Ablenkung zu genießen. Der Slam lebt vom Wortwitz, von komplexen Gedanken und überraschenden Wendungen, ausgebreiteten Ideenwelten, die dahinter großflächige Gefühlsteppiche vermuten lassen, das Tempo ist hoch, in sieben Minuten muss alles gesagt sein. In die Welt von „Tybalts unendlicher poetischer Wut“ entführt uns etwa Pauline Füg. Die Neu-Fürtherin kann sich mit den Shakespeare-Interpretationen (Tybalt ist eine Nebenfigur aus Romeo und Julia) insgesamt aber nicht durchsetzen. Rasch spitzt sich das Geschehen zu, die ersten scheiden aus und kurz vor dem Finale leider auch die famose Kielerin Victoria Helene Bergemann. Sie gab sich anfangs schüchtern und schlich schulterhängend auf die Bühne („Ich bin eine Primzahl, niemand will sich mit mir teilen außer mir selbst“) – aber alles nur Show: ihr Kosmos wird schnell weiter und bunter, vor allem frecher, je länger die Redekunst dauert.

Victoria Helene Bergemann

Allein, am Ende müssen alle kapitulieren, vor der scharfen Intellektualität, mit der Meike Harms‘ Bühnenexistenz ihre Geschichten verpackt und der gewaltigen poetischen Kraft, die Philipp Scharrenberg beweist. Er ist mutig genug, sich an die Fortsetzung von Heinz Erhardts berühmter „Made“ („Hinter eines Baumes Rinde…) zu wagen. Beide erhalten Bestnoten von Jury und Publikum.

Finale – Scharrenbergs Paradestück – die Geschichte von der rechten Verkostung eines Toffifee, die unversehens in der Demokratie-Krisen-Analyse landet. Starke Wendung! Dagegen anzukommen – kaum denkbar. Aber Harms, klein, klug, schnell, spricht als einzige frei ohne je abzulesen – und liefert in ihrem „Erotik Slam“ ein libidinöses Bekenntnis ab: „Ich stehe auf ungeschützten Schriftverkehr, Text an ungewöhnlichen Orten, wechselnde Gesprächspartner, also alles was man mit der Sprache treiben kann und heute ist es an der Zeit ihr mal wieder zu sagen, wie sehr ich sie begehre“. „Nur wege Dir cunni Linguistik“ heißt die kleine persönliche Geschichte des Spracherwerbs, voller absurder Gedankensprünge.

Am Ende, im Finale entscheidet nur das Publikum durch Klatschen, zweimal langanhaltender Orkan, bevor die beiden Moderatoren sich – hauchdünn – entscheiden müssen. Harms siegt – „doch wichtig ist das Wortgefecht. Der Wettkampf ist der Extra-Spaß fürs Publikum“ wie Lara Ermer hinterher freimütig einräumt.

Dieser Artikel erschien am 8. Oktober in den Fürther Nachrichten