Individualisten fahren über Prag

 

1991 „zerbrach“ die Sowjet-Union, die Ukraine wurde selbständig. In der „Spiegel-Schicht“ bei „Maul-Belser“ lernten wir uns 1993 kennen, an den Maschinen, wo aus Umschlags- und Inhaltsseiten das Wochenmagazin „Spiegel“ hergestellt wurde. Ein Brotjob für uns. Wir – Peter Budig/Peter Roggenthin träumten von großem Journalismus und trauten uns was: Wir fuhren auf eigene Kosten in die Ukraine, nach Charkov. Wir wollten berichten, wie dort der Bau der Reformsynagoge voran ging. Dies ist die Reisegeschichte zur Synagogen-Reportage.

 

Eine Reiseerzählung aus dem Jahr 1994 von Peter Budig /Text
und Peter Roggenthin/Fotos

Reisen in den Osten sind heute, nach der Öffnung der Grenzen, ein Kinderspiel. Man beantragt ein Visum, bekommt es vergleichsweise einfach in weni­gen Tagen, und schon kann’s losgehen. Wer in die Ukraine will, zum Beispiel nach Charkow (sprich: ha:rkof), 600 Kilometer östlich von Kiew nahe der russischen Grenze, dem stehen ver­schiedene Reise­wege offen. Man kann für gut 1000 Mark mit dem Flugzeug ab Frank­furt, Mün­chen oder Berlin nach Kiew fliegen, in dreieinhalb Stunden. Ziemlich genau die Hälfte kostet die Bahn­fahrt über Warschau, ge­bucht in Deutsch­land. In­dividualisten – also Men­schen ohne Spesenkonto – fahren wie auch immer nach Prag, von dort geht täglich der Zug Prag – Moskau über Kiew, er kostet bis in die ukrainische Hauptstadt etwa 200 Mark, Schlafwagen inklusive, Studenten zahlen ein Drittel weniger.

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