Kult-Konditorei muss schließen

Gabi und Luigi Barbante. Fotos: Budig

Abschied vom Barbante

Fürths Kult-Konditor hört auf – drastische Mieterhöhung sorgt für Geschäftsaufgabe

Nach 23 Jahren schließen Gabi und Luigi Barbante ihr Konditorei-Café in der Jakobinenstraße, Ecke Hornschuchpromenade. Seit 1906 befand sich hier eine Konditorei. Ende Oktober werden die letzten Lebkuchen über die Theke gereicht, danach ist für immer Feierabend. Fürth verliert eine weitere Institution.

Es fühlt sich seltsam an, Luigi Barbante gegenüber zu sitzen und einfach nur zu reden. Der war doch immer der Mann im Hintergrund, man sah ihn in den hinteren Räumen, quasi der Werkstatt des Geschäftes, eilige Verrichtungen unternehmen. Manchmal, meist sonntags, kam er schon nach vorne, hat beim Bedienen geholfen. Oder er hat rasch ein Blech der weltberühmten Barbante Bamberger; warm, duftend, buttrig, direkt aus dem Ofen in den Laden getragen und in die Vitrine gelegt. Zack, gemacht und weiter ging‘s. Der Konditormeister ist keiner zum Plaudern und ein Smalltalker wird er nicht mehr werden. Allerdings ist Barbante in Fürth – eine Marke. Mit „Babandäh“ verbinden die Fürther den Gedanken an eine Leckerei, etwas unglaublich Wohl­schmeckendes. Legendär sind die Butter-Hörnchen, die man niemals Croissants nennen darf. Mhm, so ein Barbante-Bamberger, der raschelnd aus seiner Papiertüte befreit wird. Man hat eine dampfende Tasse Kaffee vor sich, tunkt das krosse Hörnchen ein, schiebt die Spitze in den Mund, zuzelt ein wenig, beißt, kaut, schließt die Augen – und ist einen Augenblick lang wunschlos glücklich. Jeder, den man kennt, hat sein spezielles Lieblings-Stück „beim Barbante“. Das französische Baguette. Die Maisbrötchen! Eine etwas fettige Sünde in Form eines napoleonischen Hutes, die am besten ohne Marmelade oder gar Wurst pur verzehrt schmeckt. Florentiner Kirchkuchen. Schwäbischer Kuchen mit so etwas wie Quark und Obst je nach Saison: Zwetschgen, Birnen, Rhabarber. Russische Apfeltorte: eine Schokotorte mit in Rum ersoffenen Apfelstücken. Eierlikörtorte, Nusskuchen. 20-30 verschiedene Kuchen gibt es hier und die Hochzeitstorte auf Bestellung. Aber auch Bäck’n-Standards wie Brezen, Laugenstangen, seine Laugenbrötchen, Käsestangen oder Elsässer, wie die runden köstlichen Semmeln heißen, sind hier irgendwie besonders. Der Barbante ist ein Händler des kulinarischen Glücks: Mag die Woche lang und hart sein, am Sonntag­früh geht man zum Barbante, holt sich sein Frühstück und genießt den Tag. Ein Stück vom Himmel! Das macht Leben lebenswert und darauf versteht sich Luigi Barbante, Konditormeister, der sich das Bäckerhandwerk selber draufgeschafft hat, dessen Mutter Griechin ist, der Vater Italiener und der nun, mit 51 Jahren, stolz und ohne eine Exit Strategie, seinen Laden zusperrt. Zusperren muss?

Mit solchen idealisierenden Beschreibungen seines bodenständigen Handwerks kann der Profi, der Kleinunternehmer Barbante nicht viel anfangen. Gut 130 Quadratmeter haben Backstube, Verkaufsraum und das kleine Café zusammen. Daraus müssen eine halbe angestellte Konditorin, Bäckereiverkäuferin, Azubine, stundenweise Hilfskräfte finanziert werden, dann die Ladenmiete und es soll auch etwas für das Familieneinkommen überbleiben. Eigentlich ist hier aber alles immer zu eng, zu wenig Platz etwa, um im Sommer, wenn wenig Torte geht, Eis herzustellen und zu verkaufen. Dennoch, die besondere Qualität, die Sechstage-Wochen, das 280 Tage-Jahr haben einen stetigen Aufschwung, ein immer besser gehendes Geschäft ermöglicht. Als nun ein neuer Ofen fällig war, besser, größer, aber eben auch 30.000 Euro teuer, haben sie scharf nachgerechnet und waren schon dabei, die Investition zu tätigen. Doch dann wurde das Eckhaus verkauft. Die neuen Besitzer haben den alten Vertrag gekündigt, sie hatten andere Vorstellungen: Mehr Miete, am besten jedes Jahr, eine kurze Vertragslaufzeit, „um zu sehen, wie sich die Lage entwickelt“, große Pläne, kein nachhaltiges Interesse an einem über Jahrzehnte aufgebauten Handwerksbetrieb, der Klarheit, Sicherheit aber keine Spitzenmiete bringt… Man hat nicht mehr zusammengefunden. Mit Wehmut aber ohne Gift und Galle haben Gabi und Luigi gemeinsam entschieden, den Laden Ende Oktober zu schließen. Wer eine Bistroeinrichtung brauchen kann, Backmaschinen, eine Ladentheke, darf sich schnell melden. Alles wird verkauft.

„Es ist nicht nur die Mieterhöhung“, sagen die Barbantes, ein Ehepaar, dass sich stets als Team begriff. „So ein kleiner Konditorei­betrieb ist ein aussterbendes Metier“, sagt Luigi Barbante und versucht dabei gelassen, abgeklärt zu schauen. „Es ist so schwer, Personal zu bekommen, vor allem Azubis“, seufzt Gabi Barbante, die selbst als Bürofachfrau in einem Betrieb arbeitet. Außerdem erledigt sie die Buchhaltung für das Familiengeschäft, steht sonntags hinter der Theke „und hat auch schon mal zwei Wochen unbezahlten Urlaub genommen, weil niemand sonst da war“, wie sie sich erinnert. „Meine Frau hat das Geschäft immer subventioniert und ich konnte so arbeiten und produzieren wie ich mir das vorstelle“, sagt Luigi nachdenklich. Die Kosten zwicken und zwacken – im Winter kein Problem, aber wenn es heiß wird, geht das Geschäft nur tröpfelnd und man steht sich hinter der Theke nachmittags die Füße in den Bauch.

Am letzten Öffnungstag kamen viele ehemalige Mitarbeiterinnen und Azubis vorbei.

„Wou giddsn heid nu gscheide Beggn/Fräiher woarns an jeder Eggn/Heid gidds blouß nu Beggnkeddn/Blouß däi Woar will mier nedd schmeggn.“ Das hat der Gaga von der Fürther Band „Travelling Playmates“ für die CD „Gscheid Bläid“ so gedichtet. Die nächsten zwei Sonntage werden die Leute wieder zweireihig vor dem Barbante stehen, zehn vor Zehn und warten, bis er öffnet. Jetzt gibt’s auch die wunderbaren Lebkuchen, man kann noch einmal zugreifen. Am Samstag und am Sonntag macht Barbante mehr Umsatz als am Rest der Woche. Vor gut zwei Jahren hat die Familienbäckerei Fehr in der Leyherstraße, ein Garant wunderbarer Brote, Semmeln, Schokobananen und Nussecken den Laden dicht gemacht. Jetzt folgen Gabi und Luigi Barbante, der noch gar nicht weiß, wo er künftig das Brot verdient, das er woanders holen muss. Und bald bleiben nur noch Beggnkeddn. „Semmerliverkaiferi, dei Loudn stäid läär/im ganzen Gai gidds kanni Beggn mehr“, lautet der Refrain vom Song. So schwindet mit den kleinen Meistern auch der große Genuss. Die Leute, die keinen Unterschied feststellen, zwischen Handwerkskunst und Fabrik­erzeugnis werden eh immer mehr.

Und so sieht es im ehemaligen Barbante heute, neun Monate nach der erzwungenen Schließung aus