Willy Michl: Mein Name ist Donnerschall

Willy Michl begeistert nicht nur mit seinem Blues, sondern auch als grandioser Geschichtenerzähler

Der Konzertsaal im ersten Stock der „Koffer“ ist rammelvoll. „Isarindian“ Willy Michl ist aus München nach Fürth gekommen, um bei „Bruder Udo“ (Martin) sein jährliches Live-Happening zu geben. „Ohne Liebe und Frieden macht das Leben keinen Sinn“ erklärt er seit 40 Jahren seinem Publikum, das mit ihm in die Jahre gekommen ist.

„Der Blues“, behauptet eine alte Musikerfreundin, „ist das Gejammer alternder Musiker für jammernde alte Männer. Es geht nur um Frauen, die es zu Recht nicht mehr ausgehalten haben (My Baby she left me). Und der beste Drink ist der in harten Zeiten.“ Das ist natürlich Unsinn. Und wer sowas sagt, war gewiss noch nie in einem Konzert von Willy Michl, dem Großmeister des Bayerischen Blues. Lange bevor es Alpenrock und Hubert von Goisern gab, vor Haindling und Heimatsound hat Willy Michl sich für den Sound seines Lebens entschieden. Das ist der Blues der guten Laune, der Freude und vor allem der individuellen Freiheit. Es ist die Musik, die einer schrieb, der als Urbayer von Kindheit an Indianer war. Wenn nur alle Indianer solche Marketing-Genies gewesen wären, wie der massige Mann mit der Adlerfeder im Stirnband! Sein Blues bedeutet für Willy Michl vor allem auch – Storytelling. Ein Begriff, den jeder Werber heute zungenschnalzend seinen Kunden serviert, hier beim Isarindian, der allein mit seiner Gitarre auf der Bühne steht, könnten sie lernen, wie Geschichtenerzählen geht.

Schon als Junge nämlich, das verrät der inzwischen „im 69. Sommer lebende“, wollte „ich morgens in die Schule, aber mein Radl wollte nicht.“ So landete er manchen Morgen an der Isar, saß auf den heißen Steinen, tauchte nackt ins silbrige Nass. Es ging nie ums faule Nichtstun, nicht ums Schule schwänzen, soviel wird klar: es ging schon immer darum, seinen Träumen den angemessenen Platz im Leben zu schenken. „Nur wer träumt ist wirklich frei.“ Die hassgeliebte Englisch-Lehrerin Mrs. Thielsons musste wieder einmal umsonst auf den Willy warten, der auch sonst kein Musterschüler war. Das alles erzählt der Stadtindianer, der heute keine Mokassins sondern orangefarbene Wanderstiefel trägt, in und zwischen seinen Liedern – so genau kann man das nicht unterscheiden.

Natürlich warten alle, im Publikum sitzen übrigens mindestens so viele Frauen wie Männer und viele mit ihren Partnern, auf die ganz großen Songs. Von denen, Hymnen an die Freiheit sind es geworden, hat er etliche geschrieben: „I möchte so gern wiara Wuildpferdl sei“, „Isarflimmern“, „Drah di net um“, „Wintermorgen“, „Fliag Vogel fliag“ und natürlich das Lied vom Fuchs, der sich im Morgengrauen in den Hühnerstall schleicht. Davon gibt es im zweiten Teil dieses fast dreistündigen Konzertes einiges und doch zu wenig. Ein wenig verliert sich der Michl zwischendurch im Rausch seiner Fabulierlust und gerät in Gefahr, zu viel am eigenen Denkmal herum zu bildhauern und das ist niemals gut. Aber entschädigt einen ja, mit donnernden Gitarrensoli, die einen wegtragen, als säße man wirklich ohne Sattel auf dem Rücken eines wilden Hengstes, galoppierte die trockene Steppe entlang. Seine Ausflüge in die Blues- und Rockgeschichte, Michls Versionen von “all you need is Love” (Beatles), „Take a Walk on the Wild Side“ (Lou Reed) oder „Give Peace A Chance” (John Lennon/Paul McCartney) haben nichts von Cover-Sounds. Dieser Mann ist immer „Son of Thunder”, Donnerschall, so sein Indianername und was volltönend aus seinem Inneren kommt, ist immer Willy Michl pur. „Sie ham g’sagt I heiß so wia die Sonna, die grad ihren allerhöchsten Punkt erreicht“, das kommt heute so glaubwürdig wie ehedem, wie der ganze Willy Michl, dem das Älterwerden nicht an seinem Künstlertum kratzt. Neben der Bühne sitzen beide Frauen, mit denen er die Jahrzehnte seines Lebens verbracht hat, sie nicken und klatschen Applaus, als hörten sie alles das erste Mal. 1972 heiratete er Eva Vera Rath, Primaballerina des Staatstheater am Gärtnerplatz; 1993 seine zweite Frau Cora, mit der er bis heute beisammen ist. „Ich bin ein Mann und spiele mein Männerspiel“, erklärt er einmal und lacht tief in sich hinein. Als man nach dem Konzert noch einmal nach den beiden anwesenden Damen fragt, da liefert man dem großen Geschichtenerzähler Willy Michl die Gelegenheit, für eine Schlusspointe: „Weißt Du“, lacht er dröhnend, „ein Comanchenhäuptling hatte sieben Frauen – seine Business-Group. Bei den Friedensverhandlungen sagte der US-General zu ihm: Das ist gegen unsere Verfassung, du kannst nicht sieben Frauen haben. Du musst dich für eine entscheiden. – Du hast Recht, antwortete der Häuptling, aber Du musst es ihnen sagen.“