Die erfolgreichen Exoten aus dem Knoblauchsland

Susanne Bauer mit dicken Saubohnen. Die Bauers bauen fast alles selbst an, was sie auf den Ständen auf den Märkten der Region verkaufen. Fotos: Budig

„Einwanderer“ aus aller Welt werden zu neuen Verkaufsschlagern im Angebot der Gemüsebauern

Kartoffeln, Rüben, Salat, Kohl und die namensgebenden Zwiebel- und Knoblauchknollen, das sind Sorten, die wir im Knoblauchsland erwarten. Doch die Gemüsebauern im Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen lassen sich längst mehr einfallen und sich von Bauern in aller Welt inspirieren. Der bekannteste Siegeszug eines Exoten hier ist der Rucola. Anton Offenberger, Berater beim Gemüseerzeugerring Nürnberg-Buch erzählt die Geschichte schmunzelnd: „Als Rauke ist der Salat eine uralte fränkische Pflanze. Sie geriet in Vergessenheit, weil man den Geschmack als unschön, bitter empfand. Dann entdeckten die Franken den Rucola auf Reisen und fanden ihn plötzlich herb, spannend. Heute wird er in großen Mengen im Knoblauchsland produziert“. Doch der Import von Erfolgsgemüsen und Obst ist nicht immer so einfach: „Wassermelonen“, erklärt der Experte, „wachsen hier, aber es ist kompliziert: Oft sind sie erst im Spätsommer reif und das Wetter dann zu kühl. Wenn es nicht heiß ist, sinkt die Nachfrage gegen Null“.

Wenn man vom Westen, über Fürth-Poppenreuth ins Knoblauchsland einfährt, wird der Wandel dieses uralten Gemüselandes besonders offensichtlich. Weit reichen die Siedlungsfetzen ins Ackerland, gigantische Flächen sind durch riesige Gewächshäuser aus dem Idyll genommen. Das Knoblauchsland, 19 Ortschaften zwischen Fürth, Nürnberg, Erlangen, Gewächshäuser, Gemüseanbauflächen, Dorfstrukturen, im Westen der Möbelriese Höffner, im Osten der Flughafen, ist ein bundesweit einmaliger Raum. Doch die ursprüngliche Nutzung ist bedroht: Begehrte Neubaufläche, S-Bahntrasse zur innerstädtischen Nahverkehrsanbindung von Nürnberg über Erlangen bis Herzogenaurach, Flughafenanbindung an die Autobahn: Stichworte, die das Rütteln am alten Kulturland benennen. Die Gemüsebauern, es werden immer weniger, müssen kämpfen.

Jörg Hofmann, der größte Biobauer im Knoblauchsland.

Eine Nische ist der Anbau von Exoten. Ein Näschen für Erfolg hat Jörg Hofmann aus Schnepfenreuth schon oft bewiesen. Schon beim Rucola war er einer der ersten. Der Biobauer gehört zu den Großen, er hat in der Hochsaison bis zu 60 Mitarbeiter, pachtet Land bei Schwabach oder Herzogenaurach hinzu. Sein neuester Coup ist noch ein Versuchsballon: Er baut Süßkartoffeln an. Die Batate, mit der Kartoffel nur sehr fern verwandt, bildet im Wurzelsystem knollige, rote, hellbraune oder lilafarbene Speicherwurzeln aus. Sie stammt aus Südamerika, ist gesund, nahrhaft, lecker, kann roh oder als Beilage, Chips oder gebraten verzehrt werden. Hofmanns Stecklinge kommen aus Israel und eines hat er nach kurzer Zeit erfahren: Wenn es warm und feucht ist, explodiert ihr Wachstum, wird es kühl, dann stagniert es rapide. Jetzt experimentiert er mit Saatabständen, überlegt, wie man maschinell ernten könnte. Denn er ist sicher: Die Süßkartoffel wird ein Renner!

 

Am Waagplatz in Fürth hat die Familie Bauer seit über 20 Jahren einen Stand, immer samstags am Wochenmarkt. Die Gemüsebauern aus Höfles verfolgen ihr eigenes Vermarktungskonzept: sie verkaufen ausschließlich an Endverbraucher auf Märkten, täglich woanders. Praktisch alles, was verkauft wird, stammt aus eigener Produktion. Immer wieder wird experimentiert: Erst neulich lagen plötzlich dicke, wulstige grüne Schoten im Angebot: „Sie heißen Puffbohne, Saubohne oder dicke Bohne und kommen aus Italien und Spanien“ erzählt Susanne Bauer, die die Kerne zu Hause als Gemüse schätzt. Auch als Mus püriert schmecken sie wunderbar. Und, Geheimtipp, mit Knoblauch in Olivenöl kurz angebraten, dann lauwarm mit geschnippelten Salatgurken, Tomaten Petersilie, Dill und Schafskäse als Salat serviert, sind sie ein Gedicht. Ein Probefeld hat sie heuer angelegt, nächstes Jahr will sie größer einsteigen.

Guido Meißel züchtet Topinambur.

Guido Meißel, ein junger, hochgewachsener Gärtnermeister aus Buch, schrumpft richtiggehend, wenn er einen zum Feld mit Topinambur führt. Denn die Sonnenblumenähnlichen Pflanzen wachsen bis zu drei Meter hoch. Die „Indianerkartoffel“ stammt aus Nord- und Mittelamerika. An der Sprossbasis bildet sie Knollen aus, die jetzt, im September reif für die Ernte werden. Die Knollen sind nahrhaft und sehr gesund, Diabetiker sagen ihnen Wunderwirkungen nach, denn der Genuss des sättigenden, nussigen Gemüses lässt den Blutzuckerspiegel kaum ansteigen. Für die Meißels, die einen kleinen reinen Familienbetrieb führen und nur an den Großmarkt liefern, sind solche Nischen wirtschaftliche Überlebensstrategie. Ein weiteres Standbein sind Kräuter wie Thymian, Minze, Sauerampfer, Koriander oder Majoran. „Manchmal“, sinniert der 35-jährige Vater von drei Töchtern, „bereue ich die Entscheidung hier den Betrieb zu übernehmen. Es ist ein wunderschöner Beruf aber die Preisentwicklung lässt kaum Spielraum.“ Viele Nachbarn konnten nicht widerstehen, als die Stadt immer näher rückte: „Plötzlich ist ein Acker eine Million wert“, sagt er. Doch was einmal weg ist, kommt nie wieder und so ist das ganze, einmalige Knoblauchsland eine bedrohte Art.

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Das Knoblauchsland

Erste Siedlungen im Knoblauchsland sind bis ins 8. Jahrhundert nachgewiesen. Die Gründung Nürnbergs 1040 ließ neue Orte entstehen. Seit jeher versorgte das Ackerland die Städte im fränkischen Dreieck.

Die bayerische Gebietsreform von 1972 nahm den Gemeinden die Eigenständigkeit. Zu Nürnberg gehören Almoshof, Boxdorf, Buch, Groß- und Kleingründlach, Höfles, Kraftshof, Lohe, Neunhof, Reutles, Schmalau, Schnepfenreuth und Wetzendorf. Zu Fürth gehören Bislohe, Sack, Braunsbach, Ronhof und Poppenreuth. Zu Erlangen gehört Tennenlohe.

https://de.wikipedia.org/wiki/Knoblauchsland